Mercers Fiber Center: Bindeglied zwischen Zellstoff und Papier

Auf der grünen Wiese an der Elbe begann Mercer Stendals Unternehmensgeschichte und ebnete gleichzeitig den Weg für die Erweiterung des Industrie- und Gewerbeparks Altmark in Arneburg. In diesem Gewerbepark, einem der vielversprechenden Zukunftsorte Sachsen-Anhalts, verschmelzen Tradition und Fortschritt zu einer Einheit. Soll doch das große Areal Raum für Startups, etablierte Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Kreativzentren bilden.

In dieser Umgebung betreibt Mercer eines der modernsten Zellstoffwerke Europas. Mercer verwirklicht hier das Konzept der Bioraffinerie, in dem der Rohstoff Holz möglichst umfassend genutzt wird, für Zellstoff, Bioenergie und Biochemikalien wie Tallöl, Terpentin und Methanol. 

Im Jahr 2018 hat das Unternehmen das Mercer Fiber Center eingerichtet, um den Kunden eine bestmögliche Unterstützung bei der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen zu bieten. Seit April 2022 leitet Imanuel Kriesten dieses Center. Im folgenden Interview gewährt er uns einen Einblick in die spannende Welt der Zellstoffverarbeitung und die vielen anwendungsorientierten Möglichkeiten des modernen Technikums. 

 

Herr Kriesten, ein Fiber Center – was ist das genau?

Unser Fiber Center ist ein Speziallabor, in dem wir die industrielle Aufbereitung von Faserstoff nachstellen und die damit verbundenen Veränderungen der Fasereigenschaften genau analysieren können. 

Der Fokus liegt insbesondere auf der Mahlung, als wichtigsten Prozessschritt in der Papierherstellung. Durch die in ihrer Wirkung sehr vielfältig einzustellende Mahlung wird der Faserstoff in seiner inneren und äußeren Struktur verändert – dies ist zum Beispiel die Grundlage dafür, welche Festigkeiten ein Papier hat, ob es Pigmentschichten gut trägt oder wie Klang und Haptik ausfallen. 

 

Dies bedarf vermutlich einer speziellen Ausstattung des Labors? 

In unserem Center befindet sich modernes Equipment für die Aufbereitung und Analyse von Faserstoff und Papier. Der vollständig automatisierte Laborrefiner LR40 der Fa. Frank PTI ist unser Herzstück. Er besteht aus Pulper, Monopumpe, dem Refiner selbst, einer Probenahmestation sowie der Steuereinheit. Damit sind wir in der Lage, den industriellen Mahlprozess genau und reproduzierbar zu simulieren. Das Funktionsprinzip unseres Refiners basiert auf Mahlintensität und spezifischer Mahlenergie und bietet somit ein hohes Maß an Vielseitigkeit und Flexibilität für die Durchführung von Versuchen. Der Refiner kann als Einscheiben- oder Kegelrefiner betrieben werden, bezüglich der Garnituren sind wir immer auf dem aktuellen Stand der Technik der marktrelevanten Anbieter. Für die Untersuchung der Faserstoffsuspension stehen uns Messgeräte für Entwässerungswiderstand, Wasserrückhaltevermögen und Fasermorphologie zur Verfügung. Die in statischen oder dynamischen Blattbildner erzeugten Prüfblätter können wir unter Normklima auf die relevanten Eigenschaften im Bereich Papier, Karton und Tissue prüfen. 

Mercer Fiber Center Video

 

Das klingt alles sehr spezifisch? Wofür werden die Analysen benötigt?

Wie wir alle, stehen auch unsere Kunden vor den großen Herausforderungen unserer Zeit – steigende Kosten für Energie, Transformation zur Klimaneutralität und der Mangel an Fachkräften sind nur eine Auswahl dieser. Wir sehen uns als Partner unserer Kunden und bieten mit dem Fiber Center ein Werkzeug zur Bearbeitung unterschiedlichster Aufgabenstellungen. Unser Schwerpunkt liegt auf der strategischen und langfristigen Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Wir bieten technische Expertise und praktische Erfahrung, um Papierhersteller dabei zu unterstützen, das volle Potenzial der Fasern in ihren Herstellungsprozessen zu nutzen.

 

Gibt es noch weitere Aufgaben des Fiber Centers?

Neben der kundenspezifischen Arbeit unterstützen wir alle Mercer Zellstoffwerke bei internen Projekten zur Qualitätsverbesserung, wie z.B. bei der anwendungstechnischen Überprüfung von Auswirkungen einer reduzierten Bleiche. Durch die sehr hohe Reproduzierbarkeit unserer Mahlung können wir auch die Zellstoffe aller Werke untereinander vergleichen und so Produktprofile für die jeweiligen Sorten entwickeln.

Als Partner in einem großen internationalen Netzwerk aus Universitäten, Instituten und Forschungseinrichtungen beteiligen wir uns an unterschiedlichsten Projekten, mit dem Ziel, neue Anwendungen für unseren Zellstoff zu finden, z.B. im Bereich Bau oder Ersatz von Kunststoffen. In Kooperationen mit Hochschulen und Universitäten bieten wir Studenten und Doktoranden eine praxisnahe wissenschaftliche Arbeitsumgebung für Projekt- und Abschlussarbeiten.

 

Wer sind die Kunden? 

Unser Zellstoff wird zu 35 Prozent in Druck- und Schreibpapier, zu 50 Prozent für die Verarbeitung zu Tissue und im Restlichen für Spezialpapiere verwendet. Der Bereich der Verpackungen gehört noch zu einem recht geringen Teil zu unserem Absatzmarkt. 

 

Weshalb braucht Mercer ein Fiber Center?

Know-How und technologisches Wissen nehmen innerhalb der verarbeitenden Branche immer mehr ab. Mit unseren Analysen stellen wir für unsere Kunden eine große Unterstützung dar. Wir können ihnen sagen, auf welche Weise sie mit dem Zellstoff das optimale Ergebnis erzielen können. 

Dabei hat jeder Kunde individuelle Anforderungen an unser Produkt. Unsere Analysen und die Simulation ihres Mahlprozesses im Fiber Center machen es möglich, Empfehlungen für eine optimale Behandlung unserer Zellstoffe zu geben. Dabei spielt nicht nur der ökologische Aspekt, sondern auch der wirtschaftliche eine große Rolle, beispielsweise indem die Stoffausbeute optimiert und der Energieeinsatz reduziert wird.

Unsere Arbeit im Fiber Center ist ein Service, den wir unseren Kunden kostenlos zur Verfügung stellen, ein Service, den nur sehr wenige Wettbewerber anbieten können. Er ergänzt unser Angebot an Zellstoffprodukten und bietet einen Mehrwert, der sowohl zur Kundenakquise als auch zur Kundenbindung beiträgt.

Steckbrief Imanuel Kriesten

In seiner Funktion als Leiter des Mercer Fiber Centers ist er die Schnittstelle zwischen Produktion, Vertrieb und Kunden

Beruf: Papieringenieur

Alter: 37 Jahre

Ausbildung: 2005 bis 2008 in der Papierfabrik landQart AG

Studium: 2008 bis 2013 an der Hochschule München

Bei Mercer Stendal seit: April 2022

Warum dieser Beruf? Vollblut-Papiermacher mit einer große Affinität für jedes Papier, das ihm zwischen die Finger kommt


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